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Gelassenheit, Mut und Weisheit

Gelassenheit, Mut und Weisheit

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
(God, grant me the serenity to accept the things I cannot change,
Courage to change the things I can,
And wisdom to know the difference.)
Reinhold Niebuhr

„Das eine steht in unserer Macht, das andere nicht. In unserer Macht stehen: Annehmen und Auffassen, Handeln-Wollen, Begehren und Ablehnen – alles, was wir selbst in Gang setzen und zu verantworten haben. Nicht in unserer Macht stehen: unser Körper, unser Besitz, unser gesellschaftliches Ansehen, unsere Stellung – kurz: alles, was wir selbst nicht in Gang setzen und zu verantworten haben.“
Epiktet

„Wohl dem Menschen, wenn er gelernt hat, zu ertragen, was er nicht ändern kann, und preiszugeben mit Würde, was er nicht retten kann.“
Friedrich Schiller

Die persönliche Sprache

Die persönliche Sprache

„Die persönliche Sprache bringt die Gefühle und Gedanken eines Menschen im Verhältnis zu einem anderen Menschen zum Ausdruck – bezogen auf einen ganz bestimmten Augenblick.

Sie besitzt persönliche Substanz und „Körper“ und ist somit wärmer als das, was ausschließlich vom Kopf ausgeht.

Sie erleichtert den Sprecher und beeindruckt den Hörer. Das ist die authentische Qualität der persönlichen Aussage.

Ihr intelligenter Teil handelt vom Willen, dem eine Form zu geben und zugleich Rücksicht auf sein Gegenüber zu nehmen, vor allem, wenn man diesen Menschen liebt und/oder Macht über ihn hat.

Die persönliche Aussage handelt stets von dem, der spricht, und ist deshalb niemals kritisch oder belehrend.“

Aus: Jesper Juul: „Pubertät – Wenn Erziehen nicht mehr geht“

 

Wenn es uns gelingt, uns in dieser Sprache zu verständigen, können wir ausbrechen aus dem Gefängnis von wechselseitigen Projektionen, Vorwürfen etc.

Burnout

Aspekte der Entstehung eines Burnout-Syndroms

Obwohl das Phänomen des Burnout-Syndroms zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum befriedigend wissenschaftlich untersucht ist, besteht doch bei Durchsicht der unterschiedlichsten Quellen eine überwältigende Übereinstimmung darüber, dass die Symptomatik beim Burnout-Syndrom, wie ja auch der Name „Burn out“ schon sagt, einerseits Folge einer langandauernden Überlastung ist. Die Formel: ohne Belastung kein Burnout-Syndrom ist also sicher richtig, wenngleich natürlich nicht vollständig!

Welche Art Belastungen also führen zum Burnout-Syndrom?

Die Liste möglicher äußerer Faktoren, die zum Burnout-Syndrom führen können, ist mit Sicherheit nicht abschließbar, weshalb an dieser Stelle nur einige, derzeit gesellschaftlich als typisch angesehene und von Faust stichwortartig zusammengefasste Situationen genannt werden sollen:

„Hohe Arbeitsbelastung; schlechte Arbeitsbedingungen; Zeitdruck oder zu großes Pensum in einem zu eng gesteckten Zeitrahmen, vor allem stoßweise; schlechtes Betriebsklima; wenig tragfähige Beziehungen zu den Mitarbeitern; wachsende Verantwortung; Nacht- und Schichtarbeit, vor allem dort, wo man sich nicht arbeitsphysiologischen Erkenntnissen anpassen will oder kann; unzulängliche materielle Ausstattung des Arbeitsplatzes; schlechte Kommunikation unter allen Beteiligten (Arbeitgeber, aber auch Mitarbeiter untereinander); zu geringe Unterstützung durch den Vorgesetzten; wachsende Komplexität und Unüberschaubarkeit der Arbeitsabläufe und -zusammenhänge; unzureichender Einfluss auf die Arbeitsorganisation; Hierarchieprobleme; Verwaltungszwänge; Verordnungsflut (gestern neu, heute zurückgenommen, morgen modifiziert usw.); Termin- und Zeitnot; unpersönliches, bedrückendes oder intrigenbelastetes Arbeitsklima, vom Mobbing ganz zu schweigen; ferner ständige organisatorische Umstellungen, ohne die Betroffenen in Planung und Entscheidung einzubeziehen, bei Misserfolgen aber verantwortlich zu machen; zunehmende, immer neue und vor allem rasch wechselnde Anforderungen; zuletzt die wachsende Angst vor Arbeitsplatzverlust u.a.m.“ (Quelle: http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/burnout.htm)

Obwohl äußere (Arbeits- und Belastungs-)Faktoren immer wieder mit der Erkrankung an einem Burnout-Syndrom, und v.a. mit den zunehmenden Erkrankungen an dieser Störung in Verbindung gebracht werden, sind diese Zusammenhänge noch sehr wenig erforscht. Im Forschungsinteresse stand bisher v.a. der Betroffene selber, seine persönlichen Dispositionen, die Phasen seiner Erkrankung und die möglichen Folgen.

Wer ist dispositioniert (=gefährdet), am Burnout-Syndrom zu erkranken?

  • Betroffen sind Menschen mit einem hohen Maß an Einsatz, Initiative, Engagement und hohen Ich-Idealen, die ihren Selbstwert in hohem Masse über erbrachte Leistungen und die Anerkennung durch Auftraggeber, Arbeitgeber etc.., also über einen (am besten messbaren) Fremdwert erleben. Menschen, die sehr (in ihrem Selbstwert) mit ihrer Aufgabe/Arbeit oder mit der erfolgreichen Erfüllung ihrer Visionen oder Ziele identifiziert sind
  • Eine eindeutige Gefährdung liegt dann vor, wenn über dem Bedürfnis, der Aufgabe und den gesteckten Zielen gerecht zu werden, eigene Bedürfnisse und Grenzen vernachlässigt, langfristig übergangen, ignoriert oder gar nicht mehr wahrgenommen werden. Ferner, wenn eine Tätigkeit ausgeübt wird, die sich nicht in sicheren Grenzen bewegt und für deren Bewältigung die persönlichen und/oder fachlichen Voraussetzungen fehlen („entgrenzte Arbeit“). Dieselbe Gefahr besteht, wenn der Betreffende denkt, seine Qualifikationen oder Fähigkeiten reichen zur Bewältigung der Aufgabe nicht aus und er sich deshalb andauernd überfordert fühlt! Wie beim Mobbing ist auch beim Burnout-Syndrom aus medizinischer Sicht das subjektive Empfinden des Betroffenen maßgeblich!

Was genau geschieht bei der Entstehung eines Burnout-Syndroms?

  • Zunächst werden die Widerstände, die sich dem angestrebten Erfolg oder der gewünschten Wertschätzung entgegenstellen, mit vermehrtem Engagement und noch größerem Idealismus zu bekämpfen versucht
  • Wenn dieses Bemühen scheitert und es nicht gelingt, eine substanzielle innere Neubewertung der Situation oder eine äußere Neupositionierung vorzunehmen, die nicht als Niederlage empfunden wird, beginnt der eigentliche Burnout-Prozess
  • Einer Phase von Kompensationsbemühungen (Coping) folgt dann eine unterschiedlich lange Zeit des Aufbegehrens, in der erneut, diesmal aber kämpferisch, versucht wird, die Schieflage wiederherzustellen.
  • Misslingt auch dies (was meist der Fall ist), kommt es dann zu einer zunehmenden emotionalen Einpanzerung, zu einer Automatisierung der Arbeitsabläufe und zunehmend auch der sozialen Beziehungen. Rückzug ist die häufige Folge. Es kommt zu einem erheblichen Antriebs- und Motivationsverlust, zusätzlich zu dem charakteristischen Gefühl ständiger Müdigkeit und rascher Erschöpfung. Das Fortschreiten der emotionalen Abstumpfung bedingt auch eine zunehmend schwindende Selbstwahrnehmung und Wahrnehmung dringender eigener Bedürfnisse. Es kommt zu einer zunehmenden inneren Selbstentfremdung.
  • Gefühle verlieren ihre Bedeutung als Orientierungsmaßstab, wichtige Selbstschutzmechanismen greifen nicht mehr
  • Dadurch wird die gefährliche Tendenz, sich über äußeren Erfolg und fremde Wertschätzung zu definieren und einzuschätzen weiter verstärkt, bis die Außenwelt schließlich zum alleinigen Maßstab für den Selbstwert wird.
  • Der sich selbst entfremdete und schutzlose Mensch wird schließlich von diversen psychosomatischen Störungen und auch von körperlichen Erkrankungen wie etwa Infektionen heimgesucht. In der emotionalen Gestimmtheit herrschen zuletzt unkorrigierbare Verzweiflung, Fatalismus, Pessimismus und Hoffnungslosigkeit u.a. vor.

Was ist die Ursache beim Burnout-Syndrom?

Es gibt nicht die Ursache des Burnout-Syndroms, es gibt nur Konstellationen, die die Entwicklung eines Burnout-Syndroms begünstigen. Wie immer in der Medizin und auch der Psychiatrie gibt es eine Fülle von Wechselwirkungen zwischen individuellen und allgemeinen situativen Faktoren, die bei der Entwicklung eines Burnout-Syndroms eine Rolle spielen können. Von der Formulierung von Gesetzmäßigkeiten ist die Forschung derzeit noch weit entfernt. Deshalb muss auch hier der gesunde Menschenverstand, die Beobachtungsgabe und natürlich eine differenzierte Selbst- und Fremdwahrnehmung die Ursachenforschung immer wieder neu betreiben!

Ganz allgemein: Bestandteile solcher Konstellationen sind immer

individuelle Persönlichkeitsfaktoren + Art und Umfang der Arbeit/Zielsetzung/Belastung

Es ist bereits wesentlicher Gegenstand der Therapie, herauszufinden, welche Bedeutung in jedem Einzelfall die persönliche Disposition und welche die äußeren Faktoren haben. Aus dieser Analyse und Selbsterkenntnis ergeben sich dann die individuellen Wege, um erneute Rückfälle zu vermeiden und in Zukunft besser geschützt zu sein vor Entgrenzungen.

Was sind die möglichen Folgen beim Burnout-Syndrom?

  • psychische Folgeerkrankungen: Depressionen, Ängste, soziale Phobien, Schmerzstörungen, somatoforme Störungen, posttraumatische Störungen/Anpassungsstörungen, Suchterkrankungen
    • Ein typischer affektiver Dauerzustand wurde neulich als „Bitterkeits-“ oder „Verbitterungssyndrom“ bezeichnet. Faust kennzeichnet diesen Zustand folgendermaßen:

„eine sonderbare Mischung aus Widerwillen, Resignation, Selbstmitleid, Bitterkeit, Reizbarkeit, Aggressivität, Negativismus, Ressentiments, Misstrauen, Deprimiertheit, Angst, bisweilen sogar Panikbereitschaft. Die Entwertung der anderen schlägt um in die Entwertung der eigenen Person.“ (Quelle: Faust (http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/burnout.htm))

  • körperliche Folgeerkrankungen: Magen-Darm-Störungen, rezidivierende Infektionen und andere Folgen eines geschwächten Immunsystems u.a.
  • Arbeitsplatzverlust/anhaltende Arbeitslosigkeit/sozialer Abstieg
  • Ehekrise

 

Quelle leider unbekannt

Achtsamkeit

Achtsamkeit

Was ist Achtsamkeit? 

Achtsamkeit ist die Kunst, da zu sein. Sie sind wach, haben Energie und könnten etwas unternehmen, wenigstens planen oder nachdenken. Aber Sie entscheiden sich, einfach nur da zu sein: im Kontakt mit Ihrer Umgebung und mit Ihren Empfindungen und Gedanken, offen, empfangsbereit, ein wenig experimentierfreudig.

Einfach zu erklären und doch eine Kunst. Warum? Weil unsere Gewohnheiten es uns schwer machen, einfach nur da zu sein. Wir sind es gewohnt, etwas erreichen zu wollen: Spaß, Erholung, Entspannung, Besitz, Anerkennung usw.

Sie können Achtsamkeit immer üben, wenn Sie nicht gerade ein Problem lösen müssen. Wenn Sie wenig Zeit haben oder es Ihnen schwerfällt, beginnen Sie mit einer oder wenigen Minuten. Achtsamkeit führt früher oder später zu Entspannung, Gelassenheit, Ruhe, Dankbarkeit, Lebensfreude, oft auch zu mehr psychischer Stabilität und spirituellen Erfahrungen.

Wenn Ihnen dieses Lebensgefühl nach und nach vertraut geworden ist, kann es Ihnen helfen, wenn Sie in Situationen geraten, die unangenehm sind und die Sie nicht verändern können. Achtsamkeit ist aber kein Ersatz für Veränderung, im Gegenteil. Vielleicht planen und handeln Sie mit Achtsamkeit umsichtiger und konzentrierter.

Wenn Sie Achtsamkeit lernen wollen, müssen Sie sich immer wieder bewusst dafür entscheiden. Und was dann?

Hier ein paar Vorschläge:

1. Aufstehen
Wie stehen Sie morgens auf? Wie bewegen Sie den Kopf? Was machen die Füße? Bleiben Sie noch einen Moment sitzen? Denken Sie gleich an den Tag? Lassen Sie frische Luft ins Zimmer? Wenn ja, nehmen Sie die Luft wahr? Was nehmen Sie noch wahr?

2. Gehen
Wenn Sie alleine sind: Gehen Sie einmal steif/hölzern, dann locker/schlenkernd, nun schneller, dann langsamer und schließlich so wie Ihnen gerade zu Mute ist. Wenn Sie nicht alleine sind: Tun Sie dasselbe, aber so, dass es niemand merkt.

3. Blind am Arbeitsplatz
Sie können eine kurze Pause machen? Schließen Sie die Augen! Tasten Sie einige Gegenstände in Ihrer Umgebung ab. Öffnen Sie die Augen wieder und schauen Sie sich die Gegenstände nochmal an.

4.Sitzen
Sie sind bei einer Routinetätigkeit und sitzen. Führen Sie die Tätigkeit fort und nehmen Sie gleichzeitig wahr wie Sie sitzen. Spielen Sie ein wenig mit dem Sitzen! Z. BLassen Sie sich ein wenig zusammensinken, richten Sie sich wieder auf, lehnen Sie sich an, sitzen Sie frei, lehnen Sie sich wieder an, kreisen Sie ein wenig auf dem Stuhl. Wo haben Sie am meisten Kontakt? Wo spüren Sie die Schwerkraft? Was ändert sich an Ihrer Stimmung?

5. Lücken
Schauen Sie sich um und achten Sie mal nur auf die Zwischenräume und Lücken zwischen den Dingen oder in den Strukturen ihrer Umgebung (zwischen Stuhlbeinen, Köpfen, Zweigen, Blättern usw.).

6. Denken und Ausatmen
Sie grübeln unnötig oder Sie kommen z. B. von der Arbeit und wollen umschalten: Schließen Sie Ihre Augen und nehmen Sie für ca. eine Minute ihre Gedanken und inneren Bilder wahr. Achten Sie dann für ca. 30 Sekunden auf Ihre Atmung. Achten Sie nun beim Einatmen auf Ihre Gedanken, beim Ausatmen auf das Ausatmen.

7. Kontemplieren
Wählen Sie sich ein existenzielles Thema – ein Thema, das Teil Ihres Lebens ist oder sein sollte wie Geborgenheit, Vergänglichkeit, Alleine sein, Tod, Leichtigkeit, Dankbarkeit – und bleiben Sie 15-30 Minuten bei diesem Thema, ohne sich anzustrengen oder ein Ergebnis erzielen zu wollen. Nehmen Sie wahr, welche Bilder und Gedanken Ihnen zu dem Thema einfallen.

8. Weite Achtsamkeit
Wenn Sie sich eine Auszeit nehmen können oder Feierabend haben: Setzen Sie sich bequem hin und so, dass Sie gut wach bleiben können. Lassen Sie die Augen offen und achten Sie auf alle Eindrücke und Ereignisse: Gedanken, Körperempfindungen, Geräusche, optische Eindrücke, Gefühle usw. usw. Sie halten nichts fest, indem Sie es bearbeiten oder bekämpfen, sondern lassen alles kommen und gehen.

9. Zuhören
Sie hören einem Menschen zu: Wie geht es ihm gerade? Wie geht es mir gerade? Wie ist die Atmosphäre zwischen uns? Verstehe ich wirklich, was er sagen will? .  Bin ich schon bei meiner Antwort? Lasse ich ihm die Zeit, die er braucht? Lasse ich mir die Zeit, die ich brauche, um ihn zu verstehen? Wenn nicht fragen Sie ruhig nach, teilen Sie mit, was Sie bisher verstanden haben, ermuntern Sie ihn, sich auszudrücken.

10. Outdoor – Kreis
Sie sind im Freien: Schließen Sie Augen und achten Sie nur auf die Geräusche, Luftbewegungen, Temperatur, also alles was Sie hören und was Sie auf der Haut spüren können. Drehen sie sich nach ca. 1 Minute 90Grad nach rechts, bleiben Sie dort wieder ca. eine Minute, dann drehen Sie sich um 90 Grad weiter usw. bis zum Ausgangspunkt. Dann machen Sie die gleiche Runde noch einmal mit offenen Augen. Jetzt achten Sie natürlich zusätzlich auf das, was Sie sehen. Was verändert sich?

Die Absichtslosigkeit dieser Haltung ist ungewöhnlich und ungewohnt. Wer sie einnimmt, will in ihr nichts erreichen, keine Entspannung, kein Wohlbefinden, keine Selbsterkenntnis, keine Weisheit. Er will einfach nur da und mit der Umwelt und sich selbst in Kontakt sein, sich öffnen für das, was gerade geschieht und es auf sich wirken lassen oder das Geschehen spielerisch-experimentell erkunden.
Dem steht oft eine bewertende Haltung entgegen.
Bewertungen geschehen spontan, sind unvermeidlich und völlig in Ordnung, wenn sie nicht auf Kosten des Kontakts, der genauen Wahrnehmung oder Beschreibung gehen. Leider geschieht das oft. Bewertungen sind problematisch, weil sie Abstraktionen im Hinblick auf einen Maßstab darstellen oder einen Vergleich beinhalten und oft zu einer vermehrten oder verminderten Zuwendung zu dem Bewerteten führen.  Deshalb empfehlen wir, Bewertungen zu erkennen und zum Wahrnehmen oder Beschreiben fortzuschreiten bzw. zurückzukehren. Das angestrebte Nicht-bewerten ist nicht mit dem Verzicht auf Interpretation und Resonanz zu verwechseln. Wir brauchen unsere persönlichen Deutungen und emotionalen Antworten, um die Wirklichkeit zu erfahren und zu verstehen. Es geht also nicht darum, Menschen und Objekte möglichst neutral, elementar oder abstrakt wahrzunehmen.

Folgende Unterscheidungen von Formen der Achtsamkeit haben sich aus meiner Sicht bewährt:

  • fokussierte vs. weite Achtsamkeit
  • innere – relationale  – äußere Achtsamkeit
  • beobachtende vs. begleitende Achtsamkeit

Zwischen diesen Polen liegt jeweils ein Kontinuum und sie schließen sich auch keineswegs aus.
Fokussierte Achtsamkeit bezieht sich auf ein bestimmtes Objekt (Dinge, Gedanken, Empfindungen usw.), weite Achtsamkeit nimmt alles an, was zu einer gegenwärtigen Situation gehört und hält nichts fest. Diese Unterscheidung ist in verschiedenen Formulierungen in der Achtsamkeitsliteratur gängig.
Bei der folgenden Dimension ist das etwas anders:
Äußere Achtsamkeit bezieht sich auf die Umwelt und Mitwelt, innere Achtsamkeit auf mentale Ereignisse (Gedanken, innere Bilder) oder Körperempfindungen, relationale Achtsamkeit auf die Interaktionen zwischen uns und der Um- oder Mitwelt.
Beobachtende Achtsamkeit bedeutet, die Position eines distanzierten Beobachters zu entwickeln. Das kann sinnvoll sein, z. B. um Gefühle abzuschwächen, Gewohnheiten außer Kraft zu setzen. Begleitende Achtsamkeit bleibt in engem Kontakt mit den Gefühlen, dem Körper etc. Begleitende Achtsamkeit beinhaltet durch die Bewusstheit aber immer auch ein Stück Distanz und beobachtende Achtsamkeit beinhaltet auch immer eine Teilnahme an Situationen (Perpektivität, Körperlichkeit), weil es sonst auch nichts zu beobachten geben würde. Sie sind nicht nur das Gefühl, das Sie gerade haben, aber Sie sind immer auch dieses Gefühl.

Quelle: Michael Huppertz [www.mihuppertz.de]